Biomedizinisches Centrum München
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Was Pathogene erfolgreich macht – Einfluss zellulärer Heterogenität von Chromatin-Strukturen auf Infektion und Anpassung

Im Rahmen des neuen EU-Doktorandennetzwerks „Cell2Cell heterogeneity“ wird untersucht, warum manche Krankheitserreger innerhalb einer Zell-Population infektiöser sind als andere. Koordiniert wird das Netzwerk von Dr. Sigurd Braun, Gruppenleiter am Lehrstuhl Physiologische Chemie (Medizinische Fakultät), und Nicolai Siegel, Professor für Molekulare Parasitologie (Experimentelle Parasitologie, Tierärztliche Fakultät), deren Forschungsgruppen beide am BMC angesiedelt sind. „Im Fokus stehen insbesondere dynamische Veränderungen und Heterogenität im Zellkern“, sagt Braun. „Diese Variabilität ermöglicht Anpassungen an die Umgebung und damit die Etablierung langfristiger Infektionen“, fügt Siegel hinzu. „Wir verstehen aber bislang nur wenig den molekularen Mechanismus, der diese Variabilität kontrolliert“. Um dieser Frage nachzugehen, wollen die Wissenschaftler mit einem interdisziplinären Ansatz Krankheitserreger und andere einzellige Organismen auf der Ebene einzelner Zellen untersuchen. Langfristig könnten ihre Ergebnisse dazu beitragen, verbesserte Therapien und neue Impfstoffe zu entwickeln.
Dabei setzen sie auf die jüngsten Fortschritte in den Einzelzelltechnologien, die es erlauben, Genexpression und Genomorganisation in einer einzelnen Zelle zu analysieren. Mithilfe der neuen Anwendungen lassen sich große Unterschiede zwischen einzelnen Zellen zeigen. Diese werden häufig nicht durch genetische Veränderungen der DNA-Sequenz verursacht, sondern durch epigenetische Modifikationen von nuklearen DNA-Protein-Komplexen, die zusammen als Chromatin bezeichnet werden. Diese Chromatinveränderungen können sich auf die Fähigkeit zur Anpassungen an die Umwelt auswirken. Ein Beispiel ist der Erreger der menschlichen Schlafkrankheit, Trypanosoma brucei. Veränderungen in der chromosomalen Struktur führen zu Variationen auf der Zelloberfläche, die dem Einzeller ermöglicht, der Erkennung durch das menschliche Immunsystem zu entgehen. Um die zugrundeliegenden Mechanismen und Unterschiede zwischen Individuen einer Zellpopulation besser zu verstehen, müssen daher die Prozesse in einzelnen Zellen untersucht werden. Allerdings erschwert die geringe Größe des Zellkerns sowie des genetischen Materials in Trypanosomen und anderen einzelligen Organismen bisher die Anwendung von Einzelzell-Technologien. Aus dem Grunde haben sich in dem Netzwerk Cell2Cell Experten aus verschiedenen Forschungsbereichen zusammengeschlossen, insbesondere Chromatinbiologie, Parasitologie, Bioinformatik und Hochdurchsatz-Mikroskopie, um diese Hürden zu überwinden. Darüber hinaus untersuchen die Forscher in Cell2Cell nicht nur die Heterogenität von Chromatin in Trypanosomen und dem Malaria-Erreger Plasmodium falciparum, sondern bauen auch auf die Kenntnisse und langjährigen Erfahrungen einzelliger Hefe-Modellsysteme, die besonders gut im Gebiet der Chromatinregulation erforscht sind. Hierdurch erhoffen sich Braun und Siegel einen Technologieaustausch und große Fortschritte im Bereich der Einzelzell-Analysen von Krankheitserregern.
Cell2Cell wird von der Europäischen Kommission innerhalb des Rahmenprogramms Horizon 2020 mit insgesamt 3,9 Millionen Euro für vier Jahre gefördert. Das Projekt hat als „Marie Skłodowska-Curie Innovative Training Network (ITN)“ einen Schwerpunkt in der Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern. Neben der LMU sind an Cell2Cell zehn weitere europäische Institutionen und Biotech-Unternehmen sowie neun Partnerorganisationen beteiligt. Der Start des Netzwerks ist für November 2019 geplant.