Biomedizinisches Centrum München
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Neue Einblicke in die Dynamik von DNA-Reparaturmechanismen

Unser Genom besteht zu großen Anteilen aus „fragilen“ Regionen, die anfällig sind für DNA-Strangbrüche. Diese fragilen Bereiche zeichnen sich oft durch repetitive DNA-Sequenzen aus. Die Reparatur dieser DNA-Sequenzen führt oftmals zu genetischen Veränderungen aufgrund der zugrunde liegenden Reparaturmechanismen. Dieser Reparaturtyp verwendet als Vorlage homologe DNA-Sequenzen und wird daher als homologe Rekombination (HR) bezeichnet. Unkontrollierte HR kann zu neurodegenerativen Erkrankungen und Krebs führen. Daher sind repetitive DNA-Sequenzen oftmals abgeschirmt von Reparaturfaktoren und liegen in speziellen Kompartimenten vor. So enthält z.B. der Nukleolus im Zellkern eukaryotischer Zellen hunderte Kopien von ribosomaler DNA (rDNA).

Was aber geschieht, wenn rDNA Kopien geschädigt werden? Wie können diese dann repariert werden? Frühere Studien haben gezeigt, dass geschädigte rDNA Kopien vorrübergehend den Nukleolus verlassen können und so Zugang zu der DNA-Reparaturmaschinerie bekommen. Der genaue Mechanismus allerdings, wie rDNA aus dem Nukleolus gelangt, war bislang nicht bekannt.

In ihrer neuesten Arbeit deckte das Team um Sigurd Braun in Zusammenarbeit mit Andreas Ladurner und Boris Pfander den Mechanismus auf, wie rDNA Kopien bei DNA-Schäden aus dem Nukleolus in das Nukleoplasma gelangen (Capella et al., 2021). In dem einzelligen Modellorganismus der Bäckerhefe (Saccharomyces cerevisiae) ist rDNA an die innere Zellkern-Membran gebunden und durch die Interaktion zweier Proteinkomplexe, die den „rDNA Tethering-Komplex“ bilden, im Innern des Nukleolus sequestriert. Mit einer Kombination aus Biochemie, Mikroskopie und eleganter Hefegenetik konnten Capella et al. zeigen, dass mehrere Schritte die rDNA-Freisetzung aus der Kernhülle und in Nukleoplasma auslösen. Zuerst führt DNA-Schädigung zur Phosphorylierung des Kernmembran-Proteinkomplexes. Diese Modifikation fördert die Anknüpfung eines weiteren molekularen “Tags”, der als Small Ubiquitin-like Modifier oder SUMO bekannt ist, an beide Proteinkomplexe. Mit SUMO markierte Proteine werden von unterschiedlichen molekularen Maschinen erkannt, wie z.B. dem ATP-abhängigen Chaperon Cdc48 (p97 bei Säugern). Durch spezifische Erkennungsmotive bindet Cdc48 an den SUMOylierten Tethering-Komplex und bricht die Interaktion zwischen seinen Partnerproteinen in einer ATP-verbrauchenden Reaktion auf. Dies führt daraufhin zur Freisetzung der geschädigten rDNA aus dem Nukleolus und zum Zugang zur DNA-Reparatur durch die HR-Maschinerie. Darüber hinaus fanden Capella et al. heraus, dass die Freisetzung nukleolärer rDNA auch in Säugerzellen die Aktivität von Cdc48/p97 erfordert. Dies deutet darauf hin, dass dieser Reparaturmechanismus auch in höheren Eukaryoten konserviert ist.

Zusammen liefern die Ergebnisse von Capella et al. entscheidende Einblicke in die dynamische Regulation der Reparatur von DNA-Schäden. Hefezellen, denen der Tethering-Mechanismus fehlt, zeigen Hyperrekombination und Verlust von einzelnen rDNA-Kopien, ähnlich wie das bei Tumorerkrankungen bekannt ist. Bemerkenswert ist, dass Zellen, denen dagegen die Fähigkeit fehlt, rDNA aus der Zellkernmembran zu lösen („untethering“), nicht lebensfähig sind, wie die Autoren herausfanden,. Dies impliziert, dass rDNA-Freisetzung in eukaryotischen Zellen häufig auftritt, was wiederum die Bedeutung dieses Regulationsmechanismus veranschaulicht.

capella_modell

Publikation: Capella et al.: Nucleolar release of rDNA repeats for repair involves SUMO-mediated untethering by the Cdc48/p97 segregase, Nature communications 2021