Biomedizinisches Centrum München
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Ein internationales Team hat herausgefunden, wie Zellen „stillgelegte“ Teile des Genoms vor Genaktivität schützen

Eine zentrale Frage in der Biologie ist, wie differenzierte Zellen ihre Identität bewahren. Mittlerweile ist bekannt, dass dies durch spezifische Genexpressionsmuster und die Aufteilung des Genoms in transkriptionell aktive und inaktive Domänen erfolgt. Werden diese Prozesse beeinträchtigt, hat dies oft Genominstabilität und die Entstehung von Krebs zur Folge. Repressive Chromatindomänen, auch Heterochromatin genannt, bestehen aus DNA und Histonproteinen, die mit „stillen“ chemischen Markierungen versehen sind, wie z.B. der Methylierung von Histon H3-Lysin 9 (H3K9me). Die Bildung von Heterochromatin umfasst verschiedene Schritte, beginnend mit der lokal begrenzten Etablierung dieser Markierungen an einem bestimmten Chromatin-Lokus, gefolgt von ihrer Ausbreitung über große genomische Regionen, ein Prozess, der auch als Heterochromatin-„Spreading“ bekannt ist. Die zellulären Faktoren und molekularen Mechanismen, die diese Reaktion steuern, sind jedoch noch wenig verstanden - hauptsächlich aufgrund methodischer Limitierungen bei der Untersuchung dieses Prozesses.

Mithilfe neuester Einzelzell-Methoden sowie Genomik und Genetik in dem einzelligen Modellorganismus Spalthefe (Schizosaccharomyces pombe) untersuchte ein internationales Team um Magdalena Murawska die molekularen Mechanismen der Heterochromatin „Spreadingreaktion“. Ein wesentlicher Aspekt für den Erfolg der Studie war die Verwendung verschiedener Hefemutanten und die Möglichkeit, die Heterochromatin-Spreadingsreaktion entlang der Chromosomen in Einzelzellen mit einer Methode zu verfolgen, die kürzlich im Labor von Prof. Al-Sady (UCSF) entwickelt wurde. Dies führte zu der Entdeckung, dass der hochkonservierte Histon-Chaperon-Komplex FACT an der Ausbreitung von Heterochromatindomänen beteiligt ist und das Setzen der „stillen“ Histonmarkierungen unterstützt. FACT begrenzt die Dynamik der Histonproteine, also den Austausch von markierten mit nicht-markierten Histonen. Das führt zur Aufrechterhaltung von H3K9me, was wiederum den Zugang der Transkriptionsmaschinerie zu den heterochromatischen Genomabschnitten blockiert. Dadurch schützt FACT das „stillgelegte“ Genom vor Transkription. Diese Entdeckung war insofern unerwartet, da FACT überwiegend an aktiven Domänen des Genoms angereichert ist und seine dortige Funktion seit langem untersucht wird. Somit erweitert die Studie von Magdalena Murawska und Kollegen das funktionale Repertoire dieses Multitasking-Komplexes.

Die Funktion von FACT ist bei verschiedenen Krebsarten häufig gestört und der Komplex damit ein potenzieller Angriffspunkt für neue Krebstherapien. Die aktuelle Studie von Magdalena Murawska, Sigurd Braun und Kollegen legt nahe, dass eine Beeinträchtigung von FACT die Aktivierung stillgelegter Chromatindomänen auslösen und damit den Verlust der zellulären Identität bewirken könnte. Letzteres ist ein entscheidender früher Schritt bei der Krebsentstehung. Die neuen Erkenntnisse zur Funktion von FACT sind ein wichtiger Schritt, um die Rolle des Komplexes bei der Erhaltung der Genomintegrität und der zellulären Gesundheit besser zu verstehen.

Publikation: Murawska et al.: The histone chaperone FACT facilitates heterochromatin spreading by regulating histone turnover and H3K9 methylation states, Cell Reports 2021

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Graphical abstract zu Murawska et al., 2021, Cell Reports 37, 109944